Reformatorenfenster
Am 6.März 1928 vermerkte der damalige Bürgermeister Jakob Wenner in den Büchern der Gemeinde Erlenbach die Ausgabe eines Fuhrlohnes in Höhe von DM 5.00 an Karl Wenner. Dieser hatte mit dem Gespann von Michael Runck zehn Glasfenster für die Erlenbacher Kirche vom Kandeler Bahnhof abgeholt.
Gekauft hatte diese zehn Fenster die politische Gemeinde für die von beiden Konfessionen (=simultan) genutzte Kirche in Erlenbach, und bezahlt wurden dafür für DM 1.550.00; für jedes Fenster DM 140.00; nur für die Köpfe der Reformatoren Martin Luther (1483-1546) und Philipp Melanchthon (1497-1560) verlangte die Kunstglaserei Emil Großkopf in Karlsruhe noch einmal DM 75.00 pro Stück extra. Der Einbau von Glasfenstern war damals gerade große Mode, selbst bei den Protestanten, die sich – was Kirchenschmuck betraf – immer sehr zurückgehalten hatten.
So läßt sich beobachten, dass just in jener Zeit auch in anderen evangelischen Gemeinden in der Pfalz Glasfenster in den Kirchen eingebaut wurden. Die zehn Fenster gesellten sich zum Christusfenster dazu, das schon länger, mindestens aber seit Februar 1913 in der Kirche vorhanden war.
Christusfenster
In der Mitte der Altarwand – über dem römisch-katholischen Altar, am höchsten Punkt, dem Giebel angebracht, weist das Fenster auf den hin, der über allen steht und das Haupt der Kirche ist – wie es im Kolosserbrief heißt – Christus.
Aus der Mitte des Bildes schaut aus großen Augen ein schmales Männergesicht, gemalt im Stil der Nazarener, einer Künstlergruppe etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihnen war eine möglichst lebensnahe Darstellung wichtig. Das Vorbild dafür war ein Selbstbildnis Albrecht Dürers, der es um 1500 gewagt hatte, sich selbst als Christus zu malen. Es erschien damals ungeheuerlich, dass sich ein Mensch traute, sich mit Christus zu vergleichen. Aber es war letztlich die konsequente Umsetzung der Überzeugung, dass Gott Mensch geworden ist, wahrer Mensch, so, wie es an Weihnachten gefeiert wird.
Die meisten Christusdarstellungen bis dahin waren weit entfernt von wirklichen Menschen; sie wirkten eher symbolisch als Sinnbilder, nicht als wirkliche Abbilder von Menschen. Doch dann begann ab 1830 eine Blütezeit der Glasmalerei, die in der Gründerzeit in eine wahre Massenproduktion mündete. Die Glaskünstler entwarfen bestimmte Typen von Darstellungen, die sie danach viele Male verwendeten. Bisweilen wurden auch Vorlagen unter das zu bemalende Glas gelegt und diese nachgezeichnet ("Pausen").
Solche Darstellungen oder Kopien wurden dann in der Regel nicht signiert. Der Christuskopf in der Erlenbacher Kirche könnte solch eine Arbeit sein, denn er enthält keinen Signatur. Auffällig ist, dass das Christusfenster aus zwei Teilen besteht: dem älteren Christuskopf im Stil der Nazarener, vermutlich zwischen 1830 und 1870 oder auch danach (nach)gemalt, während die ihn umgebende Glorie deutlich jünger ist. Dieser große weiß-blau-gelbe Strahlenkranz stammt aus dem Jugendstil und ist die künstlerische Umsetzung des jesuanischen Satzes: Ich bin das Licht der Welt.
Unmittelbar um das innere Bild, den Christuskopf, legt sich ein geschlossener, weißer Strahlenkranz. Weiß ist Christusfarbe und Zeichen für die Herrlichkeit Gottes. Deshalb trugen und tragen z.T. bis heute die Täuflinge weiße Kleider (auch die Firmlinge).
So menschlich das Gesicht in der Mitte scheinen mag, der geschlossene, weiße Strahlenkranz macht deutlich, dass Christus gleichzeitig auch wahrer Gott ist: reines, wahres Licht Gottes. Von ihm geht die Herrlichkeit Gottes aus und strahlt hinein in die Welt, wie es im Johannesevangelium heißt: Das Licht scheint in die Finsternis.
Von der Mitte des Fensters aus verändern sich die Farben zum Teil: Durch den wahren Menschen wird der wahre Gott stofflich, begreiflich; in Christus kriegt Gott Hand und Fuß. Die Farbe gelb deutet an: Gott wird Mensch. Und die weißen wie die gelben Farben durchdringen das Blau, Sinnbild für das Irdische, bis an den äußersten Rand hin.
Christus, das Licht, das vom göttlichen Vater ausgeht, die leuchtende Sonne, durchdringt den Himmel und die Erde, und nichts und niemand bleiben davon unberührt.