Der Reformator Paul Fagius

Paul Fagius wird 1504, vor genau 500 Jahren, als Sohn des Lehrers und Ratsschreibers Peter Paul Büchlein und seiner Frau Margarete, geborene Hirn, in Rheinzabern geboren.
Dieser Junge Paul Büchlein, der später seinen Namen in „Paul Fagius“ ändern wird, war dazu berufen, in seinem, wenn auch kurzem Leben, an mehreren Brennpunkten des aufblühenden evangelischen Lebens, einen bedeutenden Einfluss auf das Werden der evangelischen Kirche auszuüben.
Als der junge Fagius in der Heimat der Mutter, in Heidelberg, sich den Wissenschaften zu widmen beginnt, ist er 11 Jahre alt, noch zu jung, um an der Universität zu studieren. Deshalb besucht er einige Jahre die berühmte Neckarschule. Erst im Oktober 1521 - dem Jahr, in dem Martin Luther in Worms zum Ketzer erklärt wird - finden wir seinen Namen im Matrikelbuch der Universität eingetragen. In jener Zeit erwacht in Paul Fagius ein lebhaftes Interesse an der hebräischen Sprache. Er hat das Verlangen nach einer gründlichen Kenntnis der „heiligen Sprache“. Dazu ist ihm in Heidelberg aber nicht die Möglichkeit gegeben.
Im Jahr 1522, mit 18 Jahren, bekommt Paul Fagius seinen ersten akademischen Grad, den Bakkalaureus. Im gleichen Jahr siedelt er nach Straßburg über.
Weshalb erwählt er sich gerade Straßburg zur Fortsetzung seines Studiums? Er hat dort die Möglichkeit, bei Wolfgang Capito, einem bedeutenden Hebraisten, die hebräische Sprache gründlich zu lernen. Sein Ziel war, die Bibel aus der Ursprache korrekt zu übersetzen, um sie richtig zu verstehen.

Nach fünf Jahren des Lernens und Lehrens verlässt er seinen liebgewordenen Kreis der Straßburger Lehrer und Freunde. Im Jahr 1527 wird ihm die Rektorenstelle der lateinischen Schule im Allgäustädtchen Isny übertragen. Bei dieser Berufung hatte sein Freund Martin Butzer aus Straßburg die Hand im Spiel, denn man brauchte für die Umgestaltung des dortigen Schulwesens in evangelischem Sinne einen geschickten Erzieher. In dieser Zeit heiratet er die Bürgertochter Agnes Buchbaum, die ihm 22 Jahre lang, bis der Tod sie scheidet, eine treue Lebensgefährtin ist und ihm fünf Kinder schenkt.Sehr interessiert nimmt Fagius am kirchlichen Leben seiner neuen Heimat teil. Im Jahr 1528 weilt er als Vertreter von Isny auf dem Religionsgespräch in Bern. Dort lernt er den Schweizer Reformator Zwingli kennen, mit dem er bis zu dessen Tod in Kontakt bleibt. Paul Fagius arbeitet tatkräftig für die „evangelische Sache“. 1529 protestieren die Vertreter der Stadt Isny gemeinsam mit anderen in Speyer vor dem Kaiser gegen die Bevormundung in Glaubensfragen. 1531 tritt die Stadt Isny mit anderen oberdeutschen Städten in den Schmalkaldischen Bund ein, dem Kampfbund der Evangelischen. Auf Anraten von Butzer und delegiert vom Rat der Stadt Isny, geht Fagius nach Straßburg zurück, um dort eine praktisch-theologische Ausbildung zu machen, die ihm bisher noch fehlt. Nach dieser Ausbildung kehrt er 1538 wieder in das Allgäu zu den Seinen zurück. Bis 1543 wirkt er im großer Hingabe als Pfarrer in Isny.Neben seiner Arbeit als Pfarrer gründet Fagius einen Verlag und eine Druckerei, in denen er hebräische Schriften herausgibt, so auch sein bekanntes Buch „Thargum“, ein Lexikon für die chaldäische Sprache, einer Abwandlung des Hebräischen. Er vollbringt große literarische Leistungen, allein in der Zeit 1541 bis 1542 erscheinen 20 Schriften. Im Sommer 1544 wird Fagius als Nachfolger seines früheren Lehrers Capito, der zwischenzeitlich verstorben ist, nach Straßburg in den Kirchen- und Schuldienst berufen. Zuvor geht er zwei Jahre nach Konstanz. Dort soll er sich für eine Neuordnung des christlichen Lebens einsetzen. Eine Fülle von Arbeit wartet in Straßburg auf ihn, denn Capitos Stelle im Kirchen- und Schuldienst ist seit zwei Jahren verwaist. Den vielen vorhandenen Bibelauslegungen fügt er eine neue hinzu. Es erscheint die erste Übersetzung der Bibel aus dem Chaldäischen ins Lateinische.Die Neugestaltung des Kirchenwesens verschaffte sich mittlerweile auch den Durchbruch in der Kurpfalz. Kurfürst Friedrich II. bekannte sich sehr deutlich zur evangelischen Sache. Der Kurfürst ist von Paul Fagius sehr angetan und lädt ihn zu einem Besuch in Heidelberg ein. Er bietet ihm eine Professur an der Universität an. Fagius lehnt dies aber ab. Schritt für Schritt wird nun die Reformation der Kurpfalz weiter durchgeführt. Das Jahr 1546 beginnt sodann mit einem in der Geschichte der evangelischen Kirche in der Kurpfalz sehr bedeutsamen Ereignis. Es kommt ein kurfürstlicher Erlass heraus, dass das lutherische Abendmahl allen, die es wünschen, zu gewähren sei, dass alle Sakramente deutsch zu feiern seien und dass den Priestern die Heirat erlaubt sei. Zu diesem entscheidenden Bekenntnis des Kurfürsten zur evangelischen Sache hat neben Butzer auch Fagius seinen Teil mit beigetragen. Im Oktober 1546 kehrt Fagius von Heidelberg nach Straßburg zurück. Fagius soll aber kein sehr langer Aufenthalt mehr in der Stadt, mit der er sich so verbunden fühlt, beschieden sein. Im Mai 1548 erlässt Kaiser Karl V. eine einstweilige Verfügung, das sogenannte „Interim“, die eine Wiederherstellung der kirchlichen Verhältnisse aus der Zeit vor der Reformation anstrebt und zum Reichsgesetz erhoben wird. So bleibt es nicht aus, dass überall dort, wo dem Gesetz Geltung verschafft werden soll, schwerste Konflikte zwischen der Obrigkeit und der Kirche unausbleiblich sind. Fagius steht im Kampf der Meinungen um das „Interim“ mitten drin. Der Druck, den Kaiser und Reich ausüben, wird immer stärker. Der Magistrat von Straßburg legt den Interimsgegner Butzer und Fagius nahe, die Stadt und das Land zu verlassen. Im Januar 1549 kehrt Paul Fagius noch einmal in seine Heimatstadt Rheinzabern zurück, um die Angelegenheiten seines inzwischen verstorbenen Vaters zu ordnen. Anfang April 1549 flüchten Paul Fagius und sein ehemaliger Lehrer Martin Butzer schließlich über Frankreich nach England. Um einen Zufluchtsort brauchen die beiden Verbannten nicht zu bangen, liegt ihnen doch eine Einladung des Erzbischofs Cranmer und des Herzogs von Somerset vor. In England angekommen, werden sie von König Edward IV. mit allen Ehren empfangen. Die beiden Reformatoren bekommen von der englischen Regierung eine feste Anstellung als Hochschulprofessoren. Leider kann Fagius sein Amt in Cambridge nicht mehr antreten. Der Ausbruch eines schweren Leidens steht bevor und der Tag seines Sterbens ist nicht mehr fern. Als Paul Fagius 1549 an einem Fieber stirbt, wird er in der Kirche „St. Michael“ in Cambridge beigesetzt. Im Jahre 1551 folgt auch Martin Butzer seinem Freund im Tod nach und wird in der „St. Marienkirche“ in Cambridge beigesetzt. Beide durften nicht sehr alt werden. Fagius ist bereits mit 45 Jahren, Butzer mit 60 Jahren verstorben. Die im Leben so Vieles gemeinsam durchkämpft hatten, sollten auch nach ihrem Tod noch ein gemeinsames Schicksal haben. Beiden war ihre Grabesruhe nicht gegönnt. Mit dem Regierungsantritt von Maria Tudor, die 1553 die Nachfolgerin des englischen Königs Eduard VI. wird, sollte der im Niedergang begriffene Katholizismus wieder erneuert werden. In den Augen der Königin und ihrer Anhänger waren die verstorbenen deutschen Reformatoren schlimme Ketzer. Sie setzte ein Ketzergericht ein, welches Fagius und Butzer vier Jahre nach ihrem Tod zum Tod durch Verbrennen verurteilte. Im Jahre 1556 wurden ihre Gebeine ausgegraben, in neue Armesündersärge umgebettet und auf einem öffentlichen Platz mit einer Anzahl ihrer Schriften, Bücher und auch Bibeln verbrannt.Nach vier Jahren waren diese Unterdrückungszeiten für die Evangelischen in England vorüber. Mit der Thronbesteigung der Königin Elisabeth I. setzte sich die Reformation in England erneut durch und Fagius und Butzer wurden 1560 rehabilitiert. So fand ihre Asche in der“St. Michaelskirche“ in Cambridge dann die endgültige Ruhestätte.

Fagius war ein Kind der deutschen Reformation. Kaum mehr als ein Jahrzehnt vor ihrem Beginn geboren, hat er noch im Knabenalter ihren Aufbruch erlebt. Die Eindrücke, die er als Schüler und Student in Heidelberg und Straßburg (1515-1527) sammelte, waren bestimmend für seine Entwicklung zum evangelischen Menschen der Reformationszeit, der er Zeit seines Lebens gewesen ist.
Unter den Reformatoren hat keiner mehr auf ihn eingewirkt, als Martin Butzer, dessen bedeutendsten Schüler wir ihn nennen dürfen. Doch außerordentlich stark war er auch von Luther beeinflusst, obwohl er ihn persönlich nicht näher gekannt hatte.
Auf drei Ebenen hat Paul Fagius Wesentliches geleistet: Als Pfarrer und Seelsorger, als Lehrer und Erzieher und als Gelehrter und Ausleger des Alten Testaments.

Damit Paul Fagius stets in Ehren und Dankbarkeit gedacht und sein Wirken nicht vergessen wird, haben die Presbyterinnen und Presbyter seiner Heimatgemeinde 1996 beschlossen, ihr evangelisches Gemeindezentrum nach dem Reformator aus Rheinzabern zu benennen.

Horst Dörsam

Quelle: Richard Raubenheimer, Paul Fagius aus Rheinzabern. Sein Leben und Wirken als Reformator und Gelehrter, Grünstadt 1957