Kurzgeschichte der Kirchengemeinde

1930 -1971 Die Wandernde Kirchengemeinde

Die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Rheinzabern in diesem Jahrhundert beginnt als Geschichte einer kleinen Minderheit. Wann es die ersten evangelischen Familien in Rheinzabern gab, ist nicht mehr bekannt. Sicher ist jedoch, daß seit 1933 regelmäßig in Rheinzabern evangelischer Gottesdienst gehalten wurde. Damals kam im vierzehntägigen Rhythmus der Bellheimer Pfarrer zum Gottesdienst nach Rheinzabern. 20 bis 25 Leute versammelten sich im Schulsaal oberhalb des Gemeindehauses. Das Lehrerpult, von der Kirchendienerin Frau Meyer mit einem Parament geschmückt, wurde zum Altar, die Schulbänke zu Kirchenbänken.
Schon vor dem 2. Weltkrieg kam Rheinzabern zur Pfarrei Erlenbach. Pfarrer Bauer, 1937- 1948 in Erlenbach, hielt die Gottesdienste, während des Krieges vertreten durch Pfarrer Laukenmann aus Minfeld. Eine besondere Situation ergab sich nach dem 2. Weltkrieg für die Schüler: zwei Jahre lang erhielten sie von ihrem Pfarrer Privatunterricht in evangelischer Religion. In der Schule war dies nicht möglich.
Nach Errichtung der neuen Volksschule fand die Kirchengemeinde im Schulhaus eigene Räumlichkeiten. In dieser Zeit wurden die Möbel angeschafft, die heute noch in der Kirche stehen: der Altar, die Stühle, die Kanzel. Während des Umbaus zum Ratsgebäude fand der Gottesdienst vorübergehend im Gemeinschaftsraum der Turn- und Festhalle statt. Die letzten Jahre bis zur Einweihung der neuen Kirche teilte man sich den Sitzungssaal mit dem Gemeinderat.

Die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Rheinzabern ist jedoch nicht nur die Geschichte einer Wanderung von einem Gottesdienstraum zum anderen: es verdient Beachtung, daß es bereits in den fünfziger Jahren, z. Zt. von Pfarrer Emrich in Rheinzabern eine Jugendgruppe gab, die durch ein kleines Team vorbereitet wurde. Ebenso kamen nach dem Gottesdienst Kinder zum Kindergottesdienst zusammen; auch der Kindergottesdienst wurde von Mitarbeitern der evangelischen Kirchengemeinde (Frl. Müller, Herr Schwabl) gehalten, da der Pfarrer durch Gottesdienste in anderen Gemeinden in Anspruch genommen war.

Das Wandern fand ein Ende, als am 8. Juli 1971 nach 3-jähriger Planung unter Pfarrer Venter die neue Kirche eingeweiht werden konnte. Es ist eine schlichte Fertig-Montage-Kirche, wie sie von der Rheinischen Landeskirche speziell für Neubaugebiete entwickelt worden war. Die Kirche ist so gebaut, dass darin nicht nur Gottesdienste stattfinden können. Sie läßt sich leicht umräumen; jederzeit kann sie damit auch "weltlicheren" Verwendungszwecken dienen. Dies mußte sie in der Vergangenheit auch des öfteren beweisen. Bemerkenswertes findet sich in einem Bericht über das große Ereignis in der kleinen evangelischen Gemeinde Rheinzabern: "An dem Neuhau der kleinen Diasporagemeinde Rheinzabern demonstrierte sich im Ort ein Gemeinschaftssinn, der beispielhaft sein dürfte. Ein ökumenischer Sammlerkreis, angeführt von dem katholischen Ortsgeistlichen, Pfarrer Vogelgesang, und dem protestantischen Pfarrer hatte auf Anhieb den stattlichen Betrag von 12 .000 DM für diesen Kirchenneubau unter den Bürgern der Gemeinde gesammelt. Diese sichtbare ökumenische Gemeinsamkeit findet auch bei dem Eröffnungsgottesdienst am kommenden Sonntag ihren Ausdruck."

Friedrich Schwabl

 

Entwicklung der Gemeinde

Das Jahr 1972 begann für die protestantische Kirchengemeinde mit einer wichtigen Neuerung. Seit diesem Zeitpunkt erfolgt mit freundlicher Unterstützung der katholischen Kirchengemeinde "St. Michael" innerhalb des katholischen Kirchenblattes auch eine regelmäßige, wöchentliche Information der Protestantischen Kirchengemeinde. Seither wissen die Gemeindeglieder beider Kirchengemeinden durch diesen Rundbrief immer, was in der eigenen und was in der anderen Gemeinde ansteht.

Im März 1980 kam Pfarrer Martin Henninger in die Gemeinde. Mit dem jungen Pfarrer kamen auch neue Impulse in unsere Kirchengemeinde: Jugendgruppen wurden gegründet, die sich wöchentlich treffen, ein Frauenkreis wurde ins Leben gerufen, der monatlich zusammenkommt, das Projekt Jugendheim-Gemeindehaus-Neubau wurde angegangen, Kontakte mit der englischen Kirchengemeinde Sittingbourne wurden aufgebaut und gegenseitige Besuche durchgeführt, Ökumene in Sonntag und Alltag gelebt.

Diese Intensivierung des Gemeindelebens veranlaßte das Presbyterium 1981, die Kirche zu einem Gemeindezentrum zu erweitern. Man war sich dabei sehr wohl bewußt, welche enormen finanziellen Belastungen eine solche Entscheidung für eine kleine Kirchengemeinde bedeuten würden. Doch das Presbyterium ging mutig den Weg nach vorne: Im Herbst 1982 wurden unter reger Anteilnahme und Mithilfe der Bevölkerung die Fundamente für den Anbau ausgehoben und die Bodenplatte gegossen. Nachdem das Fachwerk stand und das Dach gedeckt war, begann im Sommer 1983 der Einbau der Wände und der Decke. Der Neubau konnte nur durch einen hohen Einsatz und das persönliche Engagement vieler Helfer bewerkstelligt werden.

Am 8. Juli 1984 wurde der Anbau mit den verschiedenen zusätzlichen Räumlichkeiten mit einem Festgottesdienst und einem Fest rund um das neue evangelische Gemeindezentrum eingeweiht. Ein langgehegter Wunsch hatte Gestalt angenommen: Ein vielfältig nutzbarer Mittelpunkt für eine lebendige kirchliche Gemeindearbeit war geschaffen worden, der die Voraussetzungen bot, Gemeinschaft zu erleben und selbst zu gestalten. Positiv nicht nur für die evangelische Kirchengemeinde, sondern darüber hinaus auch für den Ort Rheinzabern.

Seit Mitte 1984 hatte die Kirchengemeinde einen neuen Namen: "Kirchengemeinde Erlenbach mit Hatzenbühl und Rheinzabern" aufgrund der Herauslösung aus der Kirchengemeinde Kandel. Damit verbunden war eine eigene Geschäftsführung und eine Verselbständigung der Gemeindearbeit.

Ende 1985 zählte die evangelische Kirchengemeinde über 500 Gemeindeglieder. Deshalb beschloß das Presbyterium, nunmehr jeden Sonntag - statt wie bisher nur alle 14 Tage - einen Gottesdienst anzubieten. Die wechselnden Gottesdienstzeiten (9.00 Uhr/10.00 Uhr) gaben den Gemeindegliedern die Möglichkeit, die für sie individuell günstige Gottesdienstzeit zu wählen und stellten gleichzeitig ein hohes Maß an Gerechtigkeit gegenüber den bei diesem Wechsel mitbeteiligten Gemeindegliedern aus Erlenbach dar.

Ende 1988 verabschiedete sich Pfarrer Henninger aus der Kirchengemeinde und ging für einige Jahre nach England, um dort etwas völlig neues und anderes zu tun. Acht Jahre "F Ü R" und "M I T " unserer Kirchengemeinde, Jahre des Einsatzes und der Initiative hinterließen einen sehr positiven und nachhaltigen Eindruck.

Mit Pfarrer Henningers Weggang begann eine Vakanz, in der Pfarrer Wolfgang Koschut und Pfarrerin Sabine Fritsch die Aufgabe übernommen hatten, die "pfarrerlose Zeit" zu überbrücken und - gemeinsam mit anderen - verschiedene Dienste in unserer Gemeinde wahrnahmen (Gottesdienste, Konfirmandenunterricht, usw.). Da das Presbyterium befürchtete, daß eine längere Vakanz negative Folgen für die Gemeinde haben könnte, wurde es aktiv und vereinbarte einen Termin mit der Kirchenregierung in Speyer, um dort die Wünsche der Gemeinde in bezug auf einen neuen Pfarrer/Pfarrerin mit den entsprechenden Prioritäten darzulegen. Dabei drang das Presbyterium auf baldige Wiederbesetzung der offenen Pfarrstelle. Da sich die Zusammenarbeit der Kirchengemeinde Erlenbach, Hatzenbühl, Rheinzabern mit Pfarrerin Fritsch sehr fruchtbar gestaltete, beschloß das Presbyterium, die Kirchenregierung zu bitten, Pfarrerin Fritsch die Pfarrstelle zu übertragen. Damit konnte die bewährte, kooperative Zusammenarbeit fortgeführt werden. Und gemeinsam konnte nunmehr "Das Schiff, das sich Gemeinde nennt" durch brausende Wogen wieder in ruhigeres Wasser geleitet werden, als nach nur einem Jahr Vakanz im Oktober 1989 die Pfarrstelle wieder neu besetzt werden konnte.

Pfarrerin Fritsch ging den vorgezeichneten Weg weiter, warb um das Vertrauen der Menschen in den Dörfern unserer Kirchengemeinde. Zu dem ohnedies breitgefächerten Betätigungsfeld des Pfarrers/der Pfarrerin kam nun als neuer Schwerpunkt eine verstärkte Seelsorge, die sich in Kranken-, Haus- und Geburtstagsbesuchen äußert. Mit der nötigen, positiven Ausstrahlung brachte die Pfarrerin den Menschen in den drei Gemeinden das Evangelium nahe, setzte Prioritäten und zeichnete - mit anderen Mitarbeiterinnen gemeinsam - ein deutliches Profil der Kirchengemeinde in sehr überzeugender, anschaulicher Art und Weise. Dabei spielte die Ökumene eine wichtige Rolle, wie dies die vielfachen Begegnungen und gemeinsamen Veranstaltungen mit Pfarrer Heribert Vogelgesang von der katholischen Kirchengemeinde "St. Michael" dokumentieren. Die Zusammenarbeit zwischen Pfarrerin und Presbyterium gestaltete sich kooperativ; sie konnte nicht nur fortgeführt, sondern auch erweitert und aktiviert werden. So waren die Voraussetzungen für eine gemeinsame fruchtbare und lebendige Zusammenarbeit gegeben.

Nach 20 Jahren Nutzung wurden Veränderungen und Investitionen in und am Kirchengebäude nötig: So entschloss sich das Presbyterium 1991, die vorhandenen elektrischen Nachtspeicheröfen im Kirchenraum, die teilweise noch mit Asbest isoliert waren, zu ersetzen durch eine neue, sparsamere und ökologisch verantwortete Erdgasheizung.

Im Jahre 1992 wurde das Kirchendach saniert, welches zuvor mit asbesthaltigen Platten gedeckt war.

Auch der Innenraum unserer Kirche hatte eine "Auffrischung" nötig: Im Sommer 1995 wurde der gesamte Innenraum gestrichen und der Holzfußboden abgeschliffen und frisch versiegelt.

2005 musste das Flachdach über dem Eingangsbereich saniert werden. In diesem Zusammenhang bekam die Kirche einen neuen Anstrich.

Am 9. Oktober 2005 konnte die Kirchengemeinde ihre neue Orgel mit einem Orgelkonzert in Dienst stellen, nachdem die bisherige elektronische Orgel nach über 30 Jahren für die Vielfalt der traditionellen und zeitgenössischen Lieder klanglich nicht mehr geeignet war. Bei der neuen Orgel handelt es sich um eine kleine gebrauchte Pfeifenorgel der Firma Walcker mit einem Manual und Pedal sowie sechs Registern aus dem Jahre 1962.
Die Kosten der Orgel wurden ausschließlich durch Spenden und Zuschüssen beglichen, wobei die Ortsgemeinde Rheinzabern die Hälfte der Kosten zugeschossen hatte.

An Pfingsten 2008 durfte die Kirchengemeinde das Glaskunstfenster in der Paul-Fagius-Kirche einweihen. Der Glaskünstler Karl-Walter Maurer aus Rheinzabern hat es entworfen, angefertigt, montiert - und der Gemeinde gespendet. Er hat sich bei dem Fenster von der Pfingstgeschichte aus Apostelgeschichte 2 leiten lassen, die erzählt, wie der Heilige Geist auf die Jünger gekommen ist und sie in Bewegung versetzt hat. Gerade die Bewegung und Lebendigkeit wurden von Karl-Walter Maurer schön umgesetzt.

Im Januar 2009 bekam die Kirche an ihrer Seite zur Kandeler Straße hin ein Kreuz. So ist sie nun auch von außen gut als Kirche zu erkennen.
Auch dieses Kreuz wurde von Karl-Walter Maurer entworfen und seine Ausführung von ihm umgesetzt.

Das letzte Projekt war die Neugestaltung des Eingangsbereiches zum Gemeindezentrum. Mit großartiger Unterstützung der Ortsgemeinde Rheinzabern und großem Engagement von Architekt Achim Stadter und der Firma Grünpunkt aus Rheinzabern konnte der Eingangsbereich ein neues Gesicht bekommen. 
Vor allem wurde der Eingang behindertengerecht gestaltet, so dass man nun auch mit einem Rollstuhl problemlos in die Kirche kommen kann. 
Der Eingangsbereich wurde in einem Familiengottesdienst im Frühjahr 2012 festlich eingeweiht. 

In einer stets wachsenden, lebendigen und kreativen Kirchengemeinde gab es natürlich unterschiedliche Meinungen, Ideen und Anregungen, oftmals Zustimmung, manchmal aber auch Kritik. Vielschichtige Gedanken, konstruktive Kritik verbunden mit persönlichen Einsatz, sind auch weiterhin das Schwungrad und das Fundament einer lebendigen Kirchengemeinde. Dies war in den vergangenen Jahren so und wird auch in Zukunft so sein. Unsere Erfahrung in der Vergangenheit und unsere Vision für die Zukunft: Die Kirche lebt!

Horst Dörsam

Pfarrer und Pfarrerin der Kirchengemeinde

  • Hans Venter 1967-1972
  • Erich Blinn 1973-1978
  • Martin Henninger 1980-1988
  • Sabine Fritsch 1989-2002
  • Thomas Borchers 2003-2013
  • Dr. Klaus-Peter Edinger 2014-2018
  • Elke Maicher 2018-